Klienten geraten an ihre Grenzen

Inflation und steigende Energiepreise sind immer öfter Thema bei der Sozialberatung

Von Alexander Anlicker

Egal, ob Schuldnerberatung, Schwangerschaftsberatung oder allgemeine Sozialberatung: Die Inflation ist für die Klienten der Caritas im täglichen Leben massiv spürbar, berichten Gudrun Schemel, Geschäftsführerin des Caritasverbands im Landkreis Lörrach, und Ruth Götzmann, Fachbereichsleiterin Soziale Dienste, im Gespräch mit unserer Zeitung.
Von Alexander Anlicker

Kreis Lörrach. „Inflation – Wenn der Lebensunterhalt zur großen Belastung wird“ lautet das diesjährige Schwerpunktthema der Aktion „Leser helfen Not leidenden Menschen“ des Verlagshauses Jaumann. „Was besonders ist, ist, dass die Menschen, mit denen wir zu tun haben, arm sind und noch viel mehr von der Inflation betroffen sind“, sagt Gudrun Schemel und ergänzt: „Wir merken, dass in Bedarfsfamilien das Geld noch schneller zu Ende ist.“

Deutlich werde dies auch an vermehrten Anfragen, berichten Schemel und Götzmann. „Wir merken, dass die Klienten am Limit sind. Viel öfter als sonst haben die Menschen jetzt Mietschulden. Das Konto ist leer und die Abbuchung funktioniert nicht“, berichtet Götzmann. Dies zeige, dass die Lebensunterhaltskosten viel höher geworden sind. Auch die Energieabschläge seien bei einigen Klienten in diesem Jahr bereits ein- oder zweimal erhöht worden, sagt die Fachbereichsleiterin.
„Wir bekommen vermehrt Anrufe von jungen Familien, die nicht wissen, von was sie Windeln und Säuglingsmilch bezahlen sollen“, verweist Götzmann auf die vielen Löcher, die sich überall auftun. Wie schnell man in die Hilfsbedürftigkeit geraten kann, verdeutlicht sie am Beispiel einer jungen Mutter. Diese habe gut verdient und sei jetzt in Elternzeit. Bedingt durch die Preissteigerungen kommt sie mit dem Elterngeld an ihre Grenzen und hat auch den größten Teil ihrer Ersparnisse aufgebraucht.
Nicht nur die Anfragen werden mehr, auch die Problemlagen werden laut Götzmann immer komplexer. Dies hat auch einen höheren Zeitaufwand zur Folge.

Im Bereich der Schuldnerberatung gebe es daher bereits Wartelisten und bei der Schwangerschaftsberatung werde nach Dringlichkeit unterschieden. Beim Caritas- Sozialdienst gehe es oft um Themen, die dringend sind. Beispielsweise, wenn Fristen zu wahren sind oder kein Geld für Lebensmittel übers Wochenende vorhanden ist. „Wir versuchen, diese Klienten noch in den Terminplan reinzuquetschen. Was warten kann, wird rausgeschoben. Das war früher nicht so“, stellt Götzmann fest.

Die – ohnehin nur mit wenigen Stellen ausgestatteten – Beratungsdienste geraten so noch mehr an ihre Grenzen. Angesichts der wachsenden Nachfrage soll das Beratungsangebot im allgemeinen Sozialdienst aufgestockt werden. Das Angebot wird über die – immer mehr zurückgehende – Kirchensteuer finanziert. Bislang teilen sich drei Mitarbeiter im Bereich allgemeine Sozialberatung eine 130-Prozent-Stelle. Die geplante und dringend benötigte Aufstockung wird von der Aktion „Leser helfen Not leidenden Menschen“ mit 5000 Euro unterstützt.

Neben gestiegenen Kosten für Lebensmittel – deren Preissteigerung übrigens mit 18 Prozent über der Inflationsrate von zehn Prozent liegt – sind es vor allem die gestiegenen Energiekosten, die den Klienten Sorgen bereiten. „Wir haben das Thema Energie in Angriff genommen“, sagt Götzmann und berichtet, dass das Thema Energie und Sparen ganz offensiv in den Beratungsgesprächen angegangen werde.

Die Klienten werden auch explizit auf den Stromsparcheck hingewiesen, der vom SAK Altes Wasserwerk angeboten wird.

Energiefonds

Wie die Diakonie werde auch das Erzbistum Freiburg die Kirchensteuereinnahmen aus der Energiekostenpauschale einem Energiefonds zur Verfügung stellen, um Bedürftigen helfen zu können, berichtet Schemel.

Neben der Inflation beschäftigen der Krieg in der Ukraine sowie nach wie vor die Corona-Pandemie die Menschen. „Die Krisen lassen niemanden kalt“, betont Schemel und verweist darauf, dass man über alle sozialen Dienste hinweg Zukunftsängste bei den Klienten beobachte. Insbesondere bei älteren Menschen kommen Kriegstraumata und Ängste hoch, sagt sie. Auch Menschen, die eine psychische Erkrankung haben, würden nun verstärkt unter Ängsten leiden.

Auch durch Corona gebe es mehr Bedarf, sagt Götzmann nicht nur mit Blick auf die verstärkten Nachfragen beim Sozialpsychiatrischen Dienst. Auch im Bereich der Schulsozialarbeit beobachte man, dass Kinder und Jugendliche Ängste haben und depressiv sind.

Ziel sei es nicht nur. kurzfristig die materielle Not zu lindern, sondern langfristige Perspektiven zu vermitteln, heben Schemel und Götzmann die Ziele der Caritas hervor. „Wir versuchen, mit den Menschen zu erarbeiten, dass sie wieder Perspektiven sehen und handlungsfähig werden“, erklärt Götzmann. Dass dies durchaus gelingt – wenn auch nur teilweise – verdeutlicht sie am Beispiel einer jungen Familie. Das überschuldete Paar war obdachlos geworden und bei den Eltern untergekommen. Nachdem sich das Paar getrennt hatte und die Frau Schulden des Mannes übernehmen musste, ist es ihr mit Unterstützung der Caritas gelungen, die Schulden aufzuarbeiten. Trotz ihrer vier Kinder arbeitet sie jetzt wieder zu 100 Prozent, berichtet die Fachbereichsleiterin.

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